Die vergessene Küste Livlands

Die letzten livischen Dörfer an der Nordwestküste Lettlands wurden seit 1950 systematisch zerstört und von den Räten zur Sperrzone erklärt. Nur eine Handvoll dieser Menschen überlebte in 12 Fischerdörfern, und sie erleben derzeit eine Art kulturelle Renaissance.

Die verbotene Küste (1941–1990)
Die Jahrzehnte der sowjetischen Besatzung waren verheerend für die Liven. Wie die Letten, Litauer und Esten waren auch sie nicht vor Deportation geschützt. Viele wanderten aus. Die Küste wurde zur sowjetischen Grenzzone erklärt. Dörfer wurden ausgeblutet. Die Fischerei, das Rückgrat der traditionellen Wirtschaft, wurde zwangskollektiviert, die einheimischen Fischermannschaften liquidiert. Die lebende Sprache wurde verboten. Nun standen Wachtürme und Militärbasen in diesem Küstengebiet, wo einst das Leben blühte. Leeres Land.
Vor dem Krieg gab es in Lielirbe 60 Häuser. 1969 waren es noch 19, 1986 nur noch fünf. 1959 lebten dort noch 185 Liven, von denen 87 auch Livisch sprachen. Nur wenige – die nicht weg wollten oder konnten – blieben. Alfons Bertholds, 82, Fischer aus Vaide: „Der Zugang zum Meer war verboten. Ab 18:00 Uhr galt ein allgemeines Verbot. Fischen war nicht erlaubt. Die Fischerei konzentrierte sich 60 km südlich bei Roja. Viele verließen ihre Häuser und gingen nach Roja oder anderswohin. Die gesamte Küste von Ventspils bis Kolka war Sperrzone, die man nur mit einem Sonderausweis von außerhalb betreten durfte.“

Erzähler: Mihaels Krugs
Verwendete Quellen und Referenzen:

Übersetzung aus der deutschen Zeitschrift „Pogrom“, Ausgabe November/Dezember 1992 – „BANGA“ (Zeitung für die Nordkurleme-Küste), 5. März 1993; eingesandt von Inese Roze (Touristeninformationszentrum der Region Talsi)