Die Legende der Weißen Dame
Der Geist des Karosta-Gefängnisses.
Einer Legende zufolge wurde 1944 während eines Angriffs der deutschen Wehrmacht ein lettischer Junge aufgrund eines Missverständnisses gefangen genommen und im Gefängnis von Karosta eingesperrt. Seine Hochzeit sollte in zwei Wochen stattfinden. Die Braut erfuhr von der Verhaftung ihres Geliebten und versuchte mit allerlei Tricks, ins Gefängnis zu gelangen. Als sie in Zelle 18 ankam, wo der Junge saß, teilten ihr die Zellengenossen mit, dass sie zu spät sei – der Junge sei zum Tode verurteilt und bereits erschossen worden. Aus Scham und tiefer Trauer erhängte sich das Mädchen in ihrer Zelle. Seitdem soll es in dem Gefängnis spuken: Unerklärliche Geräusche sind zu hören, elektrische Schalter gehen ohne ersichtlichen Grund kaputt, Handys laden sich von selbst auf, schwere Zellentüren knallen laut zu… Nicht selten erscheint die Weiße Dame auch als helles Licht in einem stockdunklen Korridor oder als eiskalte Berührung an einem heißen Sommertag. Fast jeder, der hier seine Strafe verbüßt oder als Wärter gearbeitet hat, hat diese Weiße Dame gesehen. Selbstverständlich wurden solche Phänomene während der Sowjetzeit geleugnet.
Nachdem Lettland seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, wurde das Gebäude bis 1997 von den wiederhergestellten lettischen Streitkräften genutzt. Damals war Hauptmannsleutnant Aivars Feldmanis Chef der Wache und hatte die Weiße Dame ebenfalls gesehen. Er berichtet von einem Mädchen mit langem, rotem Haar, das zu einem dicken Zopf geflochten war und in einem weißen Kleid erschien. Um seltsame Vorkommnisse zu verhindern, lud der Wachchef den Priester der orthodoxen Kathedrale von Karosta ein. Dieser kam mit mehreren Litern Weihwasser und Weihrauchgefäßen. Baķuška verbrachte den ganzen Tag im Gefängnis im Gebet und weihte jede Zelle, jeden Raum. Heilige Zeichen wurden an die Wände gemalt, um Geister zu vertreiben. Dies half zwei Monate lang. Dann kehrte die Weiße Dame zurück und weilt seither dort.
