Frühlingsbrief des Partisanen Balis Vaičėnas
Der Brief des Partisanen wurde am 15. November 1949 verfasst und war an seine Schwester und Verbindungsperson Virginia adressiert.
Liebe Schwester Virginia,
Auf diesem Brief sende ich Ihnen und Ihren Lieben, die Sie bereits weit entfernt sind, meine herzlichen Grüße. Wir haben alle bisherigen Reisen glücklich verbracht. Als wir hier ankamen, forderte Gott ein weiteres Opfer von uns: Am Sonntagmorgen, dem 23. Oktober dieses Jahres, rief er einen von uns Vieren – Šarkiuks – zu sich. Zuvor war er wohlauf, fröhlich und gesund gewesen. Plötzlich erkrankte er in der Nacht und starb am Morgen. Seine Freunde bestatteten ihn in einem Sarg auf litauischem Boden und vollbrachten so seinen letzten Dienst. Obwohl wir den jungen Mann im Sand seines Grabes immer betrauern, tröstet uns der Gedanke, dass er so starb, wie alle Menschen sterben: im Kreise seiner Freunde und neben seinem Bruder, der ihn nach christlichem Brauch bestattete; dass sein Körper nicht von einer Kugel durchbohrt und nicht von einem grausamen Henker getreten wurde. Dank der Fürsorge der Partisanen konnte in einer litauischen Kirche eine Heilige Messe gefeiert werden. Nun können wir nur noch zum Herrn beten, dass er seiner müden Seele Frieden schenke.
Ich schicke dir einige Briefe. Ich hoffe, du bringst sie schnell weiter. Wenn es dir nicht zu gefährlich erscheint, bring den Brief bitte Frau Kl. (wo deine beiden Brüder gedient haben). Solltest du etwas für mich erhalten, bring es bitte ebenfalls schnell weiter. Auf ihren Umschlag schreibe ich: „An die Nachbarn Kl.“ Bring den Brief bitte auch Jonuks (der immer Honig und Äpfel mitgebracht hat). Auf seinen Umschlag schreibe ich: „An Skudutis“. Du weißt wahrscheinlich schon, was Rache bedeutet.
Du bist bereits unser Verbindungsmann in Sąjūdis. Ich sende dir einen Auszug aus der Anordnung; bewahre ihn bitte gut auf. Falls du die Angelegenheiten, die wir neulich noch offen gelassen haben, noch nicht geklärt hast, dann tu das bitte umgehend und gib mir Bescheid. Schließlich ist das mein einziges Vermögen, das ich bewahren möchte.
Haltet die Verschwörung so gut wie möglich aufrecht, seid vorsichtig. Ich fürchte, der Frost wird sich wieder in eurer Mitte ausbreiten. Wie ihr seht, neigt sich unser Kampf für die Freiheit einem entscheidenden Ende zu, und vielleicht werden unsere Probleme endlich ein Ende finden.
Zum Schluss wünsche ich euch allen, dass Gott euch immer beschützt.
- Janina Semaškaitė, Gruppe der Vaičėnas-Truppe, Vilnius, 2024.